Per cantare

Per flauto dolce

Per flauto traverso

Per-cussione

Folk and Jazz

Blockflötenorchester

AusgabenKomponistenNeue NotenBestellenÜber GirolamoKontaktHome

G 12.035 CoverSamuel Scheidt (1587–1654)
10 Symphonien

für 2 Melodieinstrumente (Sopran- oder Tenorblockflöten/Violinen), obligates Bassinstrument (Violoncello/Fagott) und Basso continuo
Herausgegeben von Ulrich Thieme
Generalbassaussetzung von Eckhart Kuper

Girolamo G 12.035, Partitur und 3 Spielpartituren, € 24,00
ISMN 979-0-50084-059-6

Beispielseite

G 12.034 G 12.036





Vorwort

Samuel Scheidt, geb. 1587 in Halle (Saale) und dort auch 1654 gestorben, gehört mit Michael Praetorius, Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein zu den wichtigsten Komponisten des deutschen Frühbarocks. Ihnen allen ist die starke Verwurzelung in der Tradition der von niederländischen Vorbildern geprägten Vokalpolyphonie gemeinsam, und zugleich haben sie die zu ihrer Zeit modernen italienischen Impulse eines vom Generalbass gestützten konzertierenden Stils in ihr Schaffen integriert. Ihre dicht benachbarten Wirkungsstätten im mitteldeutschen Raum begünstigten ihren beruflichen und persönlich-freundschaftlichen Kontakt, und ihre jeweiligen Dienstverhältnisse verlangten von ihnen allen sowohl höfisch-weltliche als auch geistliche Kompositionen.

Scheidt wurde bereits 1603, als Sechzehnjähriger, Organist an der Moritzkirche, ging dann 1607–1609 nach Amsterdam, um bei J. P. Sweelinck zu studieren, kehrte aber alsbald in seine Heimatstadt zurück, die auch während des Dreißigjährigen Krieges und der seine Familie heimsuchenden Pest bis zu seinem Tode sein Lebensmittelpunkt blieb.

Halle war zu Scheidts Lebzeiten – und schon seit Jahrhunderten – Haupt- und Residenzstadt des Erzbistums Magdeburg. 1541 wurde die Reformation in Halle eingeführt und die Stadt seitdem von einem (lutherischen) erzbischöflichen Administrator verwaltet. Die LXX Symphonien, von denen die vorliegende Ausgabe eine Auswahl bringt, sind einem dieser Würdenträger gewidmet. Scheidts Dienstherr allerdings, der Markgraf von Brandenburg und Erzbischof von Magdeburg, floh 1625 vor den in Halle einrückenden katholischen Truppen Wallensteins und ließ Scheidt zwar mit dem Titel eines Hofkapellmeisters, jedoch ohne Honorar zurück. 1619, gerade sechs Jahre zuvor, hatte der Markgraf Scheidt noch zu seinem Kapellmeister berufen, als Nachfolger von William Brade, dessen Consortmusik Scheidt stark prägte und ihn sicher zur Komposition der Ludi musici (1621ff.) inspirierte, einer Sammlung höfischer Unterhaltungsmusik für Violenensemble. Erst 1638 kehrte der Hof nach Halle zurück. Der Versuch einer Rekatholisierung Halles während des Dreißigjährigen Krieges blieb letztlich also erfolglos. Im gesamten v.a. mitteldeutschen Raum aber hatten Hofkapellen und städtische Ensembles sich nun bereits aufgelöst. Viele handschriftliche Notenbestände waren verbrannt oder anderweitig vernichtet.

In Scheidts Leben spiegeln sich diese Ereignisse in Entlassungen, erneuten Anstellungen und Zeiten völliger Mittellosigkeit. Und sie spiegeln sich ebenso in seinen bescheideneren Besetzungsansprüchen und in der Publikationsform seiner seit 1630 erscheinenden Werke. Die Geistlichen Konzerte (1631ff.) konnten nur noch in geringerem Umfang als geplant und mit reduzierter Stimmenzahl erscheinen, und auch darin enthaltene Symphonien, instrumentale Vor- und Zwischenspiele, fielen der durch die Kriegsjahre bedingten Kürzung der Mittel zum Opfer.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme plausibel, dass Scheidts LXX Symphonien, die erst 1644 (nach mehreren erfolglosen Versuchen, einen Verleger zu finden) in Leipzig erschienen, auch bereits länger zuvor komponierte Instrumentalsätze enthalten. Scheidt machte aus der Not eine Tugend, indem er die harmoniefüllenden Stimmen der ursprünglich vielstimmig konzipierten Sätze nun in einem präzise und dicht bezifferten Generalbass zusammenfasste. So war es den Musikern seiner Zeit zugleich möglich, dem dreistimmigen Satz je nach Aufführungssituation wieder zwei oder drei Stimmen hinzuzufügen.

Mit seinen LXX Symphonien bietet Scheidt eine bemerkenswerte Sammlung von Instrumentalsätzen, die ganz nach Belieben oder Funktion, z.B. als Vorspiel oder Ritornell, vom Spieler ausgewählt werden können. Dabei ordnet er jeweils zehn Sätze einer der sieben damals gebräuchlichsten Tonarten zu ("durch die gewöhnliche Tonos …", s. Titelblatt; das sind C, d, e, F, G, g, a). Er habe sie "auff Allerley Arten Componiret", heißt es dort weiter, und tatsächlich sind die 70 Sätze, alle zwar im geraden Takt, hinsichtlich ihrer satztechnischen Merkmale aber vielfältiger kaum denkbar. Eindrucksvoll verbindet Scheidt hier konservative und moderne Aspekte, Kontrapunkt und konzertierende Elemente.

Für die vorliegende Ausgabe wurden zehn Symphonien ausgewählt, die alle sieben Tonarten und eine möglichst große stilistische Vielfalt repräsentieren. Die in Klammern gesetzten römischen Zahlen über den Einzelsätzen beziehen sich auf die Zählung im Druck von 1644. In seiner kleinen Vorrede verweist Scheidt auf die Besonderheit eines ‚doppelten' Echos, das gleich in Satz 1 [X] verlangt wird: "Es wollen die Herren Musicanten das Wörtlein Submissius in acht nehmen / welches ich gebrauchet […], welches das letzte und kürtzeste stilleste Eccho ist / als pian, Stille / submissius, noch stiller oder heimlicher."

Zwar vermerkt Scheidt auf dem Titelblatt, die Symphonien seien "Vornehmlich auff Violinen zu gebrauchen", aber bei ihrer eher ‚neutralen' melodischen Gestaltung ist nichts einzuwenden gegen eine Ausführung mit Blasinstrumenten. Als Generalbassinstrument rechnet Scheidt wohl eher mit einer Orgel als mit einem Cembalo.

Vorlage dieser Edition sind die einzig erhaltenen Stimmbücher von Cantus I, Bassus und Bassus Generalis (Leipzig 1644) in der früheren Stadtbibliothek Danzig (jetzt Biblioteka Gdańska Polskiej Akademii Nauk). Für die Übermittlung des Mikrofilms danke ich der Bibliothek an dieser Stelle ausdrücklich.

Das Stimmbuch des Cantus II fehlt also. Christhard Mahrenholz und Hermann Keller standen als Herausgeber der LXX Symphonien vor der gleichen Situation und entschieden sich für eine Rekonstruktion der fehlenden Stimme (Samuel Scheidts Werke, Band XIII, hrsg. von C. Mahrenholz und H. Keller, Leipzig 1962. Gemeinsame Ausgabe von "VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig" [DVfM] und "Ugrino Verlag Hamburg"). Ihre profunde Kenntnis von Scheidts Kompositionsstil und die präzise Bezifferung der originalen Generalbassstimme ließen sie zu überzeugenden Lösungen kommen, auf die auch die vorliegende Edition zurückgreift. Von Mahrenholz stammt die Fassung des Cantus II in Nr. 1 und 8 unserer Zählung. Keller besorgte die Ergänzung in den übrigen Sätzen.

Vivian Rehmann vom Verlag Breitkopf & Härtel (als Rechtsnachfolger des DVfM) danke ich für die freundlich erteilte Erlaubnis, diese Fassungen verwenden zu dürfen.

Hannover, im August 2014, Ulrich Thieme

nach oben