Michel de la Barre (ca. 1675–1743/44)
Première Suitte de Piècesfür 2 Altblockflöten ohne Bass
Herausgegeben von Franz Müller-Busch
Girolamo G 12.007, Spielpartitur, € 12,00
ISMN 979-0-50084-012-1
Vorwort
Geburtsdatum und Geburtsort von Michel de la Barre sind nicht bekannt, doch wurde er vermutlich um 1675 geboren, da sein erstes gedrucktes Werk – Triosonaten für 2 Violinen, Flöten oder Oboen und B.c. – 1694 erschien. Im Jahre 1700 wurde er Flötist in der Académie Royale de Musique, 1704 Mitglied in den Musettes et Hautbois de Pitou und 1705 zusätzlich zum Flûte de la Chambre du Roy ernannt, womit er wohl die höchsten Positionen innehatte, die ein Flötist damals in Frankreich erreichen konnte. Quellen zufolge wurde er als der beste Flötist seiner Zeit betrachtet und war besonders für sein ausdrucksvolles Spiel berühmt.
Eine beträchtliche Zahl seiner Werke, nämlich etwa 20 Suiten, veröffentlichte de la Barre für die Besetzung zwei Traversflöten ohne Bass. Die vorliegende Première Suitte wurde 1709 in Paris gedruckt und scheint die erste zu sein, die ausdrücklich und ausschließlich für zwei Traversflöten bestimmt ist. Die Folge von Tanzsätzen scheint etwas willkürlich, wobei vor allem die aufeinanderfolgenden Fantasien und die – für de la Barre allerdings typische – akademische Fuge aus dem üblichen Rahmen fallen.
Die Suite wurde für Altblockflöten gemäß der gängigen Praxis um eine kleine Terz nach oben transponiert. Die wenigen offensichtlichen Druckfehler der Vorlage wurden stillschweigend verbessert sowie die Schreibweise modernisiert. Weitere Veränderungen und Zusätze des Herausgebers sind gekennzeichnet.
Für die Interpretation der Suiten sind die besonderen Regeln der französischen Musik zu berücksichtigen, die u. a. J. Hotteterre-le-Romain in seinem Buch Principes de la flûte (1707) beschrieben hat. Besonders zu nennen ist hier die sogenannte Inegalité, bei der die schnelleren paarigen Notenwerte nicht gleich lang zu spielen sind, sondern die erste Note etwas gedehnt und die zweite Note entsprechend verkürzt wird. Dies sollte möglichst variabel und dem Affekt eines Satzes oder einer Stelle entsprechend gehandhabt werden. Unterstützt werden sollte das inégale Spiel auch durch eine Artikulation, die den längeren Ton mit einem weichen dü oder rü beginnt, den kürzeren Ton dagegen mit einem etwas härteren tü. Auf länger gehaltenen Tönen ist oftmals ein flattement, also ein Fingervibrato an einem näheren oder entfernteren Griffloch, wirkungsvoll anzubringen. De la Barre verwendet lediglich das Trillerzeichen x (für diese Ausgabe umgewandelt in ein +), das einen Triller oder Praller bedeutet. Andere Verzierungen schreibt er meist in kleinen Noten aus. Letztlich wird der Spieler nach seinem Geschmack und seinen Kenntnissen entscheiden, wo und wie er Verzierungen anbringt, um den besonderen Charakter der Stücke hervorzuheben und den richtigen Affekt zu treffen.
Hotteterre drückt dies in seinen Principes de la flûte so aus: „Für die Verwendung dieser Agréments kann man keine Regeln geben. Geschmack und Übung können mehr als die Theorie dazu beitragen, sie zur rechten Zeit anzuwenden.” (On ne peut guere donner de Regles plus certaines de la distribution de ces agréments, c’est le goût & la pratique, qui peuvent apprendre à s’en servir à propos, plutôt que la Theorie.)
Calw, im April 1996, Franz Müller-Busch
Inhalt
- Allemande
- Fantaisie
- Fantaisie
- Fugue
- Rondeau
- Gigue
- Double de la Gigue
- Musette