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G 12.055 CoverGeorg Friedrich Händel (1685–1759)
Fitzwilliam-Sonate G-Dur (HWV 358)

Originalfassung und Transpositionsvariante in F-Dur
für Altblockflöte und Basso continuo
Herausgegeben von Klaus Hofmann (Herbipol.)

Girolamo G 12.055, Partitur und 2 Stimmen, € 18,00
ISMN 979-0-50084-091-6

Beispielseite

G 12.054 G 13.001

 

 

 


Vorwort

Die vorliegende Ausgabe geht zurück auf die Erstausgabe der Sonate in der Originaltonart G-Dur, die ich 1974 im Hänssler-Verlag als dritte der so genannten „Fitzwilliam-Sonaten“ für Altblockflöte und Generalbass veröffentlicht habe.1 Grundlage der alten wie der neuen Ausgabe ist Händels Kompositionsautograph. Es umfasst die Seiten 61–64 eines Manuskriptbandes, der unter der Signatur Mus. 30. H. 11., MS. 261 im Fitzwilliam Museum in Cambridge aufbewahrt wird.2 Nach dem Papier-, Schrift- und Stilbefund dürfte die Sonate bei Händels erstem Italienaufenthalt um 1707–1709 entstanden sein.3 Das Notenbild zeigt Spuren großer Eile, die Aufzeichnung ist teilweise außerordentlich flüchtig und auch nicht frei von Fehlern und Unklarheiten. Die Handschrift enthält keinen Werktitel, keine Tempo- und keine Besetzungsangaben.

Die Bestimmung für ein Melodieinstrument und Generalbass liegt auf der Hand, doch an welches Melodieinstrument Händel dabei gedacht hat, ist eine offene Frage.4 Das wichtigste Indiz ist der Umfang der Stimme. Die Untergrenze ist g1; die Obergrenze aber ist nicht ohne weiteres zu bestimmen: Fast die ganze Sonate hindurch ist der höchste Ton e3; nur der vorletzte Takt von Satz 3 (T. 33) macht eine auffällige Ausnahme: In der zweiten Takthälfte wechselt Händel vom gewöhnlichen in den französischen Violinschlüssel und notiert mit zahlreichen Hilfslinien vier extrem hohe Noten.

Die im französischen Violinschlüssel (mit g1 auf der untersten Linie) notierte Tonfolge lautet h3 c4 d4 e4. Die Töne passen jedoch nicht zu dem durchaus schlüssig geführten Bass und können schwerlich der Absicht Händels entsprechen. Es liegt zunächst nahe zu vermuten, dass ihm bei der Notierung der vier Spitzentöne mit ihren vielen Hilfslinien ein Irrtum unterlaufen ist. Für die Ausgabe von 1974 hatte ich angenommen, dass es sich um die Töne e3 fis3 g3 a3 handeln sollte. Angesichts der Problematik dieser Lösung hatte ich den Part damals jedoch nur unter Vorbehalt der Blockflöte zugewiesen.

Doch inzwischen zeichnet sich eine grundlegend andere Deutung der rätselhaften Stelle ab: Es hat sich als wahrscheinlich erwiesen, dass Händel sich hier einen Scherz erlaubt hat5 und seinen Solisten mit einer scheinbar unspielbaren Stelle zum Besten haben wollte.6 Die Lösung des Rätsels ergibt sich, wenn man die vier extrem hohen Noten statt im französischen Violinschlüssel im Altschlüssel (mit c1 auf der mittleren Linie) liest. Sie lauten dann a2 h2 c3 d3. Der Umfang der Stimme ist also in Wirklichkeit g1e3.

Damit aber erscheint auch die Besetzungsfrage in neuem Licht. Während die Händel-Forschung bisher für die Oberstimme von einem Gesamtumfang von g1 bis e4 ausging und die Sonate deshalb der Violine zuschrieb,7 bietet es sich an, den Part nunmehr vorbehaltlos der Blockflöte zuzuweisen.

Mit dem begrenzten Umfang bis e3 ist der Solopart gut auf der Altblockflöte in f1 spielbar. Die Tonart G-Dur, der untere Grenzton g1 und die ausgeprägte Dreiklangsbindung der Themen der beiden schnellen Sätze lassen daneben aber auch an eine Blockflöte in g1 denken. Tatsächlich waren in Italien zu der Zeit, als die Sonate entstand, Blockflöten in g1 in Gebrauch. Wichtigster Zeuge ist Bartolomeo Bismantova, der 1677 in seinem Compendio musicale ein Instrument in g1 unter der Bezeichnung „Flauto italiano“ beschreibt. Auf einer solchen Flöte aber hätte der Part grifftechnisch – aus heutiger Perspektive betrachtet – in F-Dur gestanden. Für das Spiel auf der Altblockflöte in f1 ergibt sich durch die Transposition nach F-Dur also grifftechnisch dieselbe Situation wie beim Spiel der untransponierten Partie auf dem Flauto italiano in g1. Zugleich rückt der Part mit dem gegriffenen Umfang f1d3 in eine klanglich und spieltechnisch günstigere Gesamtlage, wie wir sie von den vier zu Lebzeiten Händels als Opus 1 gedruckten Blockflötensonaten und den „Fitzwilliam“-Sonaten in
B-Dur und d-Moll kennen. – Mit der Variante in F-Dur trägt unsere Ausgabe der Tatsache Rechnung, dass
Barock-Blockflöten in g1 in der heutigen Praxis nicht sehr verbreitet sind, und bietet eine Kompromissfassung für die Altblockflöte in f1, die grifftechnisch gewissermaßen das Spiel auf der Flöte in g1 simuliert. Spieler der Altblockflöte in f1 haben die Wahl zwischen der Fassung in G-Dur und jener in F-Dur. Spieler, die ein Instrument in g1 besitzen, werden die originale Version in G-Dur spielen und haben dabei die Wahl zwischen der transponierten und der untransponierten Blockflötenstimme.

Wie bereits angedeutet, ist Händels Kompositionsniederschrift nicht frei von Flüchtigkeitsfehlern und Nachlässigkeiten. Die meisten dieser Mängel konnten aus dem jeweiligen Zusammenhang befriedigend behoben werden.

Der kurze Mittelsatz bedarf besonderer Sorgfalt der Darstellung. Er ist nach dem Vorbild eines Rezitativs geformt, das mit einem Arioso endet. Der rezitativische Teil (bis T. 4 Mitte) ist also rhythmisch eher frei zu behandeln, die Generalbassbegleitung sollte dem Solisten hier volle „deklamatorische Freiheit“ lassen. Es empfiehlt sich, die Akkorde nach alter Rezitativpraxis nur kurz anzuschlagen und nicht wie notiert auszuhalten. Für den Flötisten liegt es nahe, sich an dem vokalen Vorbild zu orientieren und den ersten Teil eher „sprechend“ als kantabel und nahezu unverziert, den zweiten Teil dagegen „arios“ und nach Belieben auch ornamentiert zu spielen.

Göttingen, im Herbst 2024, Klaus Hofmann (Herbipol.)

1 G. F. Händel, Fitzwilliam-Sonaten für Altblockflöte und General-baß, hrsg. von K. Hofmann, Heft 3: Sonate G-dur, Neuhausen-Stuttgart (Hänssler) 1974. Die Ausgabe wurde 1992 in den Carus-Verlag Stuttgart übernommen.
2 Faksimile in: (1) G. F. Händel, Sonate per uno strumento e basso continuo,Parte prima: Manoscritti autografi (Monumenta musicae revocata, a cura di L. Alvini, M. Castellani e P. Paolini, Bd. 3/I), Florenz (Studio per edizioni scelte) 1985, S. 55–60. (2) G. F. Händel, Die Sonaten für Altblockflöte und B.c., hrsg. von Winfried Michel, Münster (Mieroprint) 1989, 21992, S. 50–53.
3 Die Niederschrift wird von Terence Best aufgrund von Schrift- und Stilmerkmalen auf „ca. 1707“ datiert; vgl. seine Ausgabe Neun Sonaten für ein Soloinstrument und Basso Continuo,Hallische Händel-Ausgabe (HHA) IV/18, Leipzig 1982, S. IX und S. 50, sowie seinen Aufsatz „Handel’s chamber music. Sources, chronology and authenticity“ in: Early Music,November 1985, S. 476–499, dort S. 479.
4 Eine ausführliche Diskussion auf dem Sachstand von 1981 bietet mein Beitrag „Zu Händels Fitzwilliam-Sonate in G-Dur. Eine Replik“ in: Tibia,Jg. 6 (1981), Heft 3, S. 391–396. Ergänzt, revidiert und aktualisiert werden meine damaligen Ausführungen in meinem Aufsatz „Händels Fitzwilliam-Sonate in G-Dur. Alte und neue Überlegungen“ in: Tibia. Portal für Holzbläser (in Vorbereitung)
5 Diese Deutung zuerst 1982 bei T. Best, HHA IV/18, S. IX.
6 Näheres in meinem in Anm. 4 an zweiter Stelle genannten Aufsatz.
7 So T. Best in HHA IV/18, S. VI; Bernd Baselt in: Händel-Handbuch,Bd. 3: Thematisch-systematisches Verzeichnis: Instrumentalmusik, Pasticci und Fragmente,Leipzig 1986, S. 131.

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