Georg Philipp Telemann (1681–1767)
Gott weiß, ich bin von Seufzen müdeKantate für Alt (Bass), 2 Violinen (Altblockflöten) und Basso continuo
Aus „Fortsetzung des Harmonischen Gottesdienstes”
Herausgegeben von Franz Müller-Busch
Generalbassaussetzung von Eckhart KuperGirolamo G 11.013, Partitur und 4 Stimmen, € 22,00
ISMN 979-0-50084-054-1
Vorwort
Ende 1725 veröffentlichte Georg Philipp Telemann seinen Kantatenjahrgang "Harmonischer Gottes-Dienst". Dieser war offensichtlich ein großer Erfolg. Ende 1731, also fast genau sechs Jahre später, ließ Telemann die
Fortsetzung / des /
Harmonischen / Gottes-Dienstes; /
oder / geistliche / Cantaten /
über die gewöhlichen Sonn- und Fest-täglichen /
Evangelien durchs ganze Jahr; / ...drucken, die wiederum 72 Kantaten für alle Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres enthielt. Bereits der Titel führt die vielfältigen Besetzungsmöglichkeiten auf. So sind alle Instrumentalstimmen grundsätzlich auch auf 2 Violinen ausführbar. Die Partitur enthält die Instrumentalstimmen in "Stichnoten" an Stellen, während derer der Gesang pausiert. So können die Instrumente (notfalls) vom Tasteninstrument ersetzt werden. Auch an größere Besetzungen wurde gedacht: 'Tutti' und 'Solo' in den Stimmen zeigen bei mehrfacher Besetzung einer Stimme an, wo voll klingend bzw. solistisch zu spielen ist. Im Falle einfacher Besetzung gilt hier analog die Bedeutung 'Forte' bzw. 'Piano'. Die Sopranstimme ist zudem auch von einem Tenor ausführbar. Analoges gilt für die Altstimme, die von einem Bass gesungen werden kann.
Die hier vorgelegte Kantate "Gott weiß, ich bin von Seufzen müde" stammt aus dem 1731er Jahrgang und ist dem 3. Sonntag nach Epiphanias (Heilige Drei Könige) zugeeignet. Die beiden mit "Violino ò Flauto dolce, l'ottava più alta." bezeichneten Stimmen haben den Umfang g–g2 und sind von Violinen in Originallage bzw. von 2 Altblockflöten oktaviert zu spielen.
Textvorlage für den 1731er Jahrgang bilden Ausschnitte aus dem 1733 bei Kißner in Hamburg erschienenen Band "Ruhe nach geschehener Arbeit" von Tobias Heinrich Schubart (1699–1747). Telemann müssen die Texte bereits Jahre vor der Veröffentlichung vorgelegen haben, was aber nicht verwundert angesichts der Tatsache, dass Schubart seit 1728 Prediger an St. Michaelis in Hamburg war. Die bildhafte, zum Teil recht drastische Sprache der kleinen religiösen "Dramen" oder "Opern" Schubarts scheint mit ihrer auf das Jenseits ausgerichteten Verheißung und dem Bild der Gegenwart als Jammertal wenig zeitgemäß. Da Telemanns kunstvolle Musik die Texte und deren Ausdeutung adelt, mögen sie als Zeugnis ihrer Zeit verstanden und nicht abgelehnt werden. Auch Bachs Kantaten mit ähnlichen Texten werden ja immer wieder aufgeführt.
Unsere Ausgabe hält sich streng an den Druck von 1731, der in Form einer Partitur und zwei Instrumentalstimmen von der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen aufbewahrt wird. Zusätze des Herausgebers sind als solche in der Partitur kenntlich gemacht.
Celle, im August 2012, Franz Müller-Busch
Arie 1
Gott weiß, ich bin von Seufzen müde,
mein Bette schwemm' ich jede Nacht!
Ich suche Hülf' und muss verderben;
ich leb' und wollte gerne sterben.
Ach, ach! Führ' ich doch einmal im Friede
dahin wo ewig Wonne lacht!Rezitativ
Ach! Herr, Herr, wie so lange?
Gebein und Seele sind erschrocken;
mir ist recht angst und bange;
der Sünden Aussatz quält die Seele;
ach, ach! errette mich aus dieser Marterhölle
und lass die Unruh einmal ruhn!
Du sprichst: ich will es tun.
Wohlan, der Heiland ist mein Arzt,
der heilen will und kann.
Wie? Sollt' ich noch verzagen?
Nein, nein, ich trotze Not und Plagen.Arie 2
Von mir, ihr strengen Todesboten,
werd't ihr als anmutsvoll betracht't.
Ich weiß, ihr ruft mich nach dem Himmel
und nicht nach jenem Qualgewimmel,
wo Pein ein Zähneklappern macht.
Hör' ich den letzten Seiger schlagen,
so will ich voller Freuden sagen:
Gottlob, nun ist mein Lauf vollbracht.Tobias Heinrich Schubart