Tommaso Albinoni (1671–1751)
12 Sonaten, Band II (Sonaten 5–8)
für 3 Blockflöten (AAT), Bassblockflöte ad lib. und Basso continuo
Herausgegeben von Peter Thalheimer
Girolamo G 12.043, Partitur und 5 Stimmen, € 29,00
ISMN 979-0-50084-071-8
VorwortTommaso Albinoni (1671–1751 in Venedig) bezeichnete sich in jungen Jahren als dilettante, später dann als musico di violino. Wo er seine Ausbildung als Geiger, Sänger und Komponist erhalten hat, ist nicht bekannt. Er wirkte hauptsächlich in seiner Heimatstadt, hatte dort jedoch nie eine feste Anstellung an einer kirchlichen oder höfischen Institution. Um 1720/1722 ist er in München nachweisbar.
Im Mittelpunkt seines Schaffens stehen Opern und Instrumentalwerke. Die zehn instrumentalen Werkrei-hen, die zu Lebzeiten Albinonis gedruckt wurden, sind für verschiedene Streicherbesetzungen bestimmt. Darüber hinaus sind einige Werke handschriftlich und ohne Opuszahl überliefert. Zu diesen gehören auch 12 vierstimmige Sonaten oder Balletti1 für zwei Violinen, Viola und Basso continuo, die spätestens 1728 entstanden sind. Sie sind in einem vollständigen Stimmensatz in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien und einer Einzelstimme der Violine I2 in der Music Library, University of California, Berkeley, erhalten. Die Streichersonaten wurden von einem unbekannten Bearbeiter für drei Blockflöten und Bass eingerichtet. Diese Blockflötenfassung gelangte vor 1740 in die Musiksammlung des Grafen Rudolf Franz Erwein von Schönborn (1677–1754)3. Genaue Angaben zu den Quellen finden sich auf Seite 27.
Der unbekannte Bearbeiter hat manche der Sonaten transponiert und die Tonumfänge den Blockflöten angepasst. Allerdings lassen die zahlreichen unkorrigierten Schreib- und Transpositionsfehler in der Blockflötenfassung vermuten, dass aus dieser Handschrift nie gespielt wurde. Für die vorliegende Ausgabe wurde der Notentext nach der Streicherfassung korrigiert. Über die Details informiert der Revisionsbericht, abzurufen unter www.girolamo.de/Revisionsbericht-G12043.pdf
In älteren Bibliographien wird die Bläserfassung der 12 Sonaten gelegentlich Querflöten zugewiesen. Die Stimmen Flauto primo und Flauto secondo sind jedoch eindeutig für f1-Altblockflöten bestimmt. Dies ergibt sich aus mehreren Details der Bearbeitung: So wurden in den beiden Oberstimmen gis1, fis1 und Töne unter f1 vermieden, ebenso das f3, das auf vielen f1-Blockflöten der Zeit vor 1720 schlecht anspricht. Die Partie des Flauto terzo ist für eine c1-Tenorblockflöte gedacht, jedoch eine Quarte höher notiert als sie erklingen soll. Sie war also mit den Griffen der Altblockflöte zu spielen. Diese Notation war im 18. Jahrhundert in Deutschland, England und Frankreich für alle Blockflötengrößen üblich, die nicht in F stehen.
Außer den erwähnten Stimmknickungen in der ersten Blockflöte hat der Bearbeiter in der zweiten und dritten Stimme Oktavversetzungen vorgenommen, damit das f1 bzw. das c1 nicht unterschritten wird. Dies führte gelegentlich zu Stimmkreuzungen mit der Partie der ersten Blockflöte und anderen Stimmführungsproblemen. Einige der Änderungen wurden entsprechend der Streicherfassung rückgängig gemacht. Über die Einzelheiten informiert der Revisionsbericht.
Der Ambitus der Basso-Stimme wurde bei der Bearbeitung auf D–e1 begrenzt. Dort, wo durch die Transposition der Basso continuo-Stimme höhere Töne vorkommen müssten, erscheinen diese tiefoktaviert. Gelegentlich wird auch das e1 vermieden. Die Stimme ist vermutlich für ein Bassinstrument in Achtfußlage gedacht, zum Beispiel eine Viola da gamba oder ein Fagott. Gegen die ausschließliche Verwendung einer Bassblockflöte sprechen die in der Vierfußlage immer wieder auftretenden Stimmkreuzungen mit der Tenorblockflöte.
Bei der Ausführung der Fundamentstimme sollte im Normalfall ein Akkordinstrument mitwirken, auch wenn die Basso-Stimme der Blockflötenfassung keinen entsprechenden Hinweis und keine Bezifferung enthält. Dafür spricht, dass einige Schlussakkorde im vierstimmigen Satz ohne Terz notiert sind. In der vorliegenden Ausgabe wird deshalb zusätzlich zur Basso-Stimme der bezifferte Basso continuo der Streicherfassung wiedergegeben, transponiert in die Tonart der Blockflötenfassung. So ergeben sich folgende Besetzungsvarianten:
– 3 Blockflöten f1-f1-c1 mit Basso continuo (Tasteninstrument oder Laute, mit oder ohne Bass-Melodieinstrument in Achtfuß-Lage, ggf. auch mit Basso-Stimme, gespielt auf der Bassblockflöte in Vierfuß-Lage)
– 3 Blockflöten f1-f1-c1 mit Bassinstrument in Achtfuß-Lage (Viola da gamba, Violoncello, Fagott, Subbassblockflöte), gespielt aus der Basso continuo-Stimme oder der Basso-Stimme, ohne Akkordinstrument
– f1-f1-c1-f0 in chorischer Besetzung mit Subbassblockflöte(n), mit oder ohne Basso continuoEinzelne Sätze, in denen keine Stimmkreuzungen zwischen Tenor- und Bassstimme vorkommen, können auch mit oktavierender Bassblockflöte ohne Achtfuß-Bassinstrument ausgeführt werden.
Das Zusammenspiel von zwei Altblockflöten, Tenorblockflöte und Basso continuo mit Bassblockflöte bzw. Fagott scheint zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Deutschland eine gewisse Verbreitung gefunden zu haben. Außer in einer Suite von Johann Christian Witt wurde sie z. B. von Johann Peter Guzinger, Carlo Luigi Pietragrua, Johann Hugo von Wilderer und Georg Philipp Telemann zur Begleitung von Arien in Opern und Kantaten vorgesehen. Der ungenannte Bearbeiter knüpfte also wohl an solche Vorbilder an.
Graf von Schönborn, der Österreichischen Nationalbibliothek Wien und der Music Library, University of California, Berkeley, sei für die freundlich gewährte Publikationserlaubnis gedankt.
Ilshofen, im November 2015, Peter Thalheimer
1 Franco Rossi bezeichnet die Stücke in Anlehnung an die Titelseite der Handschrift Berkeley und andere Werke Albinonis mit Balletti, vgl. Franco Rossi: Catalogo tematico delle composizioni di Tomaso Albinoni (1671–1750), Parte II: Le opere strumentali manoscritte, Le opere vocali, I libretti; Padova 2003, S. 273ff.
2 Auf dem Titelblatt irrtümlich Arcangelo Corelli zugeschrieben.
3 Die Musikalien der Grafen von Schönborn-Wiesentheid. Thematisch-bibliographischer Katalog, bearbeitet von Fritz Zobeley, I. Teil: Das Repertoire des Grafen Rudolf Franz Erwein von Schönborn (1677–1754), Band 1: Drucke aus den Jahren 1676 bis 1738; Tutzing 1967, S. V.