Giovanni Bononcini (1670–1747)
Giacomo Greber (gest. 1731)
Fuori di sua capannaKantate für Alt (Mezzosopran), Altblockflöte und Basso continuo
Herausgegeben von Franz Müller-Busch
Generalbassaussetzung von Eckhart KuperGirolamo G 11.008, Partitur und 3 Stimmen, € 18,00
ISMN 979-0-50084-033-6
Vorwort
Ein Werk, zwei Komponisten: so läßt sich in Kürze die Quellenlage der Kantate Fuori di sua capanna darstellen.
Sie ist in zwei Abschriften erhalten:
– Quelle 1 (Q1): Cantata a Voce sola / e Flauto solo / Giacomo Greber; Manuskript D-MÜs 3975 (Münster, Bischöfliche Diözesan-Bibliothek, Santini-Sammlung). Diese Quelle ist Teil eines umfangreichen Bandes, der verschiedene Vokal- und Instrumentalwerke G. Grebers, A. Scarlattis und unbekannter Herkunft enthält. Giacomo (Jakob) Greber starb 1731.
– Quelle 2 (Q2): Cantata Del Signor / Bononcini: / e flautto; Manuskript F-Pn Vm7. 55 (Paris, Bibliothèque nationale). Sie ist Bestandteil eines Bandes mit 25 italienischen Kantaten verschiedenster Komponisten. Der Vorname Bononcinis fehlt sowohl im Inhaltsverzeichnis als auch zu Beginn der Kantate. Sie wird im Werkverzeichnis Giovanni Bononcinis (1670–1747) geführt, könnte aber ebenso von Antonio M. Bononcini (1677–1726) stammen.
Die musikalische Substanz der beiden Kopien ist identisch, jedoch unterscheiden sie sich deutlich in den folgenden Punkten:
– Die Flötenstimme in Q1 ist aufgrund des Tonumfangs (f'–f''') sicherlich der Altblockflöte zugedacht, während sie in Q2 aufgrund einiger Oktavierungen für die Traversflöte in tieferer Lage steht (d'–c''').
– Die Bassstimme in Q2 liegt an verschiedenen Stellen eine Oktave tiefer als in Q1, jedoch kommt (selten) auch das Gegenteil vor.
– Die Generalbassbezifferung in Q2 ist genauer als in Q1. Es gibt aber Ziffern in Q1, die in Q2 nicht vorhanden sind.
– In Q2 finden sich insgesamt nur vier Bindebögen, Q1 enthält wesentlich mehr Bögen.
Auch nach einer genauen Untersuchung der Unterschiede beider Manuskripte kann die Klärung der „Vaterschaft“ der Kantate nur Spekulation bleiben. Wir haben uns daher entschlossen, die Kantate mit beiden Komponistennamen zu veröffentlichen.
Da die Fassung Grebers für Alt-Stimme, Altblockflöte und B.c. eine äußerst seltene Besetzung ist und eine echte Erweiterung des Repertoires der Blockflöte darstellt, wurde Quelle 1 zur Grundlage der vorliegenden Ausgabe. Allerdings wurden günstigere Lösungen bei der Textverteilung sowie die genauere Bezifferung von Quelle 2 in die Neuausgabe mit einbezogen. Sämtliche Abweichungen zwischen beiden Quellen sind in der Partitur durch Fußnoten sowie im Revisionsbericht dokumentiert. Lediglich die Akzidentiensetzung und die Schreibweise des italienischen Textes wurden stillschweigend modernisiert. Zusätze des Herausgebers sind als solche kenntlich gemacht.
Freiburg, im Oktober 2001, Franz Müller-Busch
Recitativo:
Fuori di sua capanna
tutto acceso nel seno
per la vaga Licori,
Filen sopra l’erbetta
un dì sedea,
e pensando ai rigor
della Ninfa tiranna
disperato fra sé
così dicea:Aria:
Se ne va di faggio in faggio
Rossignuol che prova ardore.
Lieto canta e in suo linguaggio
par che dica, o dolce Amore,
fa che mai si parta il maggio.Recitativo:
Così l’onda amorosa
siegue l’altr’onda,
e così corre al prato
per godersi di fior
veloce il rio,
e sopra verde fronda
ogn’augellin che adora
dichiara il suo desio
con dolce canto
alla nascente aurora.
Ma Licori crudel
co’l suo rigore
fa che per me solo
è tormento amore.Aria:
Io pur amo ed il tormento
sempre affligge l’alma mia,
onde privo di contento
mi lamento
di mia sorte sempre ria
e d’amar già mai mi pento.Recitativo:
Draußen vor seiner Hütte
saß Filen eines Tages
auf der Wiese,
das Herz ganz entflammt
für die umherschweifende Licori,
und an die Strenge der
tyrannischen Nymphe denkend,
sprach er verzweifelt
solchermaßen zu sich:Aria:
Sie fliegt von Buche zu Buche,
die Nachtigall die mich entflammt.
Freudig singt sie und spricht
in ihrer Sprache: Ach, sanfter Amor,
mach’, daß der Mai nie vergeh’.Recitativo:
So folgt eine liebliche Welle
der vorigen,
und so fließt der Bach gar rasch
durch die Wiesen,
um sich an den Blumen zu erfreuen,
und auf grünem Gezweig
erklärt jeder liebende Vogel
der aufsteigenden Morgenröte
mit süßem Gesang
sein Verlangen.
Aber die grausame Licori
macht durch ihre Härte
nur für mich allein
die Liebe zur Qual.Aria:
Ich aber liebe und der Schmerz
quält beständig meine Seele,
wobei ich mich unzufrieden
über mein immer feindliches
Schicksal beklage,
jedoch niemals bereue zu lieben.Übersetzung: F. Müller-Busch